Mitgliederbrief der Vorsitzenden der SchwabenSPD Ulrike Bahr

19. Januar 2018

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir stehen vor einer historischen Entscheidung für die SPD als ältester Partei Deutschlands. Wir werden am Sonntag bei einem Bundesparteitag in Bonn darüber entscheiden, ob das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD für den Eintritt in Koalitionsverhandlungen ausreicht. Zusammenfassung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche (PDF)

Mir ist es ein großes Anliegen, Eure Meinungen und Positionen dazu einzuholen, bevor wir am Sonntag über den weiteren Fortgang entscheiden. Lasst mich dazu kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Wir sind im Wahlkampf für ein sozial gerechtes, weltoffenes Deutschland angetreten, wollten eine echte Wende für mehr Verteilungsgerechtigkeit, mehr Zusammenhalt und mehr Solidarität erreichen, gerade im Unterschied zur CDU/CSU. Bei der Wahl wurde die Große Koalition abgewählt. Wir haben es nicht geschafft, unsere eigenen Positionen deutlich zu machen, sondern wurden mit der CDU/CSU in einen Topf geworfen. Daher auch die klare Aussage nach der Wahl, nicht wieder in eine große Koalition einzusteigen! Die Jamaika Verhandlungen sind dann an der FDP und der Verhandlungsführung von Frau Merkel krachend gescheitert und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die SPD ins Gebet genommen, die eigene Position noch einmal zu überdenken und Verantwortung zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund wurden Gespräche mit der CDU/CSU aufgenommen, in welcher Form die SPD zu einer Regierungsbildung beitragen kann - wobei immer betont wurde, dass es sich um ergebnisoffene Gespräche handelt, die scheitern, die Tolerierung und Unterstützung einer Minderheitsregierung oder die Aufnahmen von Koalitionsverhandlungen nach sich ziehen können. Als Ergebnis liegt nun ein Papier vor, welches die Grundlage für die Aufnahmen von Koalitionsverhandlungen darstellen soll. In der Anlage habe ich die wesentlichen Punkte aus Sicht der Sozialdemokratie noch einmal zusammengestellt.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wenn wir diese Ergebnisse würdigen, dann muss uns klar sein, dass in möglichen Koalitionsverhandlungen eine Konkretisierung dieser Maßnahmen und ihrer Umsetzung erreicht werden kann. Alle Überlegungen und Vorstellungen doch noch grundsätzliche Verbesserungen und Änderungen zu erreichen, sind angesichts der Haltung der CSU illusionär. Es bleibt also die Frage, welche zentralen Inhalte der SPD in diesen Vereinbarungen gegen die CDU/CSU durchgesetzt werden konnten, Frau Merkel spricht dabei gerne von einem "gegenseitigen Geben und Nehmen". Wir haben das Thema Europa an die erste Stelle setzen können, die bereits zuvor vereinbarte befristete Teilzeitarbeit wieder einbringen können, der weitere Rentenabbau soll vorläufig gestoppt werden, die Beiträge zur Krankenversicherung sind wieder paritätisch, es soll eine Entlastung der Eltern bei den Gebühren für die Kitas und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter geben. Dies sind alles Ergebnisse, die auch der CDU/CSU durchaus taugen und einer möglichen Koalition einen sozialen Anstrich geben, die überaus zufriedenen Gesichter von Merkel und Seehofer machen deutlich, wieviel sie dies gekostet hat. Wir müssen uns hier nichts vormachen, es geht hier nicht um den Aufbruch in eine neue Zeit mit Mut zur Erneuerung und Veränderung, sondern um ein "Weiter so", eine Fortsetzung der bisherigen Koalition, um Stabilität und Handlungsfähigkeit der Regierung zu sichern. Das kann ja für viele auch schon Grund genug sein, in Koalitionsverhandlungen einzutreten, den Spatz mitzunehmen und die Taube auf dem Dach zu lassen. Ganz unabhängig davon stellen sich für mich mit einem solchen Schritt allerdings ganz grundsätzliche Fragen: Wieweit ist überhaupt die notwendige Vertrauensbasis gegenüber einer CSU vorhanden, die schon bei der bisherigen Koalition immer wieder blockiert hat, Vereinbarungen wie bei der Zustimmung zum weiteren Einsatz von Glyphosat gebrochen hat und von Zwergenaufstand spricht, wenn sich die SPD mit den Gesprächsergebnissen schwer tut? Kann die SPD in Zukunft überhaupt noch eine glaubwürdige Alternative für eine Politik jenseits von CDU/CSU sein, wenn sie in der Wahrnehmung der Bürger nur noch als Anhängsel von CDU/CSU firmiert bzw. damit in eins gesetzt wird? Ich meine, unser Land braucht eine klare demokratische Alternative zur gegenwärtigen Politik, wenn die AFD als dann größte Oppositionspartei nicht noch weiter gestärkt werden soll. Was sagen wir den vielen neu eingetretenen vor allem jungen Mitgliedern, die ihre Hoffnung in eine SPD mit ihren Grundwerten einer offenen, sozial gerechten und zukunftsgewandten Gesellschaft setzt und jetzt mit diesen Ergebnissen konfrontiert werden? Wie sollen wir einen Wahlkampf in Bayern führen, wenn sich bei den BürgerInnen der Eindruck weiter festsetzt , dass die SPD keine Alternative darstellt? Ich habe zuletzt viele Gespräche mit BürgerInnen geführt, und viele haben sich an mich gewandt, die der SPD nahe stehen, Sympathien für unsere Partei haben, aber überhaupt nicht verstehen können, warum sich die SPD wieder auf eine große Koalition einlassen will. Ich bitte euch daher, setzt euch mit den Ergebnissen auseinander, sprecht mit den BürgerInnen, wie sie darüber denken und gebt uns Rückmeldung, welche Position unsere schwäbischen Delegierten bei dem Bundesparteitag einnehmen sollen.

Am Mittwoch, den 24. Januar, will ich mit Euch und interessierten Bürgern um 19 Uhr in der Neuen Stadtbücherei (Ernst-Reuter-Platz 1, 86150 Augsburg) über diese Themen gerne auch persönlich diskutieren. Ihr seid herzlich dazu eingeladen. Rückmeldungen bitte an folgende Mail Adresse: mail@ulrike-bahr.de

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